Der Weg zum natürlich gesunden und leistungsstarken Huf
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Hufbearbeitung
Die Hufbearbeitung
Den Huf und das Pferd wahrnehmen
Hufbearbeitung ist Gefühl, ein Gespür für das faszinierende Wunderwerk Huf und das Pferd. Und gerade das macht es nicht einfach, in Worten zu beschreiben, wie man(u) einen Huf bearbeitet. Denn darin liegt immer die Gefahr, „beim Wort genommen zu werden“.

Das, was ich dir nahelegen möchte, ist, deinen Kopf „leer“ zu machen. Das Pferd und der Huf lassen mich zu einem stillen Beobachter werden. Ich nehme den Bewegungsablauf, die Körperhaltung und die „Fehlhaltungen“, die für mich nur Kompensationshaltungen sind, wahr. Mir fallen die verhärteten, überbelasteten Muskeln und Sehnen ebenso auf wie der Gesichtsausdruck des Pferdes. Am Huf bemerke ich weghebelnde und eingezogene Wände, Fehlbelastungen, Imbalancen, untergeschobene Trachten, lange Zehen. Manchmal zeigen sich Blutergüsse. Oder der Huf hat mehrere, zum Teil auch unterschiedlich verlaufende und tiefe Rillen, die mir zeigen, wieviel Spannung in der Hufkapsel ist. Manche Hufe sind ausgefranst, oder haben Risse oder sogar Spalten.


Ich registriere das alles und dann - in dem Moment, in dem ich den Huf hochnehme, trete ich mit meinem Wissen und dem, was ich vorher alles gesehen habe, komplett in den Hintergrund. Das heißt: ich bilde mir NICHT schon vorher eine Meinung, was ich jetzt alles am Huf machen muss, weil das Pferd auf der Außenwand auffußt, über die äußere Zehe abrollt, das Bein in einem Bogen nach innen und wieder nach außen führt, eine plane Landung zeigt, die Innenwand flach und die Außenwand überlastet und steil ist…

Wenn du bereits einen Plan im Kopf hast, was du wo am Huf zu machen hast, dann hast du dir ein weiteres Urteil über den Huf gebildet. Und es ist dein Urteil. Der Huf wird im Kopf durchanalysiert und verurteilt. Da zu schief, da zu steil, hier zu eng. Man hat den makellosen, perfekten Huf im Kopf und WILL, dass dieser schiefe, in deinen Augen nicht perfekte Huf genauso aussieht. In dem Moment projizierst du deine Vorstellung auf ein lebendiges Gebilde und fängst an, es dahin zu manipulieren, wo du es haben willst, indem du erlernte, tausendfach durchgekaute Theorien anwendest.

Mach dich locker! Sei „locker“ im Kopf. Vergiss in dem Moment, wo du den Huf aufnimmst, alle Theorien und Überzeugungen, die du kennst. Denn jede Überzeugung, jede Theorie enthält auch ein Verfallsdatum. Irgendwann wird sie von einer neuen Überzeugung/einer neuen Theorie abgelöst. Ich selbst kenne einige Bearbeitungstheorien und -methoden. Einige habe ich selbst erlernt, vertreten und auch „verteidigt“. Die meisten davon habe ich mittlerweile vergessen. Denn an starren Mustern festzuhalten bedeutet doch auch, dass man selbst starr wird, bewegungslos. Die Hufkapsel ist aber genau dafür gemacht, für Bewegung. Sie ist in sich flexibel, um das Pferd harmonisch auszubalancieren.
Sei dir bewusst, dass jeder Schnitt und jeder Raspelstrich, den du machst (oder den du vielleicht nicht machst), eine Auswirkung auf das gesamte Körpersystem des Pferdes hat.

Es mag so erscheinen, dass ich ein großes Wissen über den Huf und die Zusammenhänge habe, aber ich bin mir sehr bewusst, dass das nur die Spitze des Eisberges ist. Ich bin mir darüber im Klaren, dass der Huf es besser weiß als ich, was er braucht, um das zu sein, wofür er angelegt ist: das Pferd optimal zu unterstützen. Ich helfe ihm nur dabei, sich wieder balanciert unter der Gliedmaße ausrichten zu können, wieder flexibel und federnd zu werden. Und erst dann kann er sich nach und nach auch regenerieren. Das ist meine Arbeit. Ich bestimme nicht, sondern ich lasse mich anleiten.

Nachdem ich den Huf aufgenommen habe, nehme ich ihn weiter still wahr. Ich sehe aufgeschichtetes Strahl- und Sohlenhorn. Da gibt es Kerben, kleine Risse, Absätze, Wellen im Horn. Man kann Sollbruchstellen erkennen. Das Horn hat eine unterschiedliche Konsistenz, vielleicht auch viel Zerfallshorn. Auch jetzt bilde ich mir keine Meinung, sondern fange einfach an zu arbeiten, ohne darüber nachzudenken. Bei der Hufbearbeitung habe ich keinen „Plan“ (keine Theorie) im Kopf. Ich lasse mich einfach vom Huf leiten, indem ich den Huf „lese“.


Ich selbst arbeite mit einer sehr geringen Kraftanstrengung. Für mich ist bei der Hufbearbeitung eine feine, gut geführte Arbeitstechnik wichtig. Ich schneide oder raspel gezielt und ohne Druck auf das Messer/die Hufraspel. Je mehr Muskelspannung man aufbaut, umso mehr blockiert man sich. Je feiner und weicher ich in meiner Körperspannung bin, umso mehr kann ich die Sollbruchstellen im Horn wahrnehmen und Bewegungen innerhalb der Hornschichten fühlen. Je feiner ich in meiner Arbeitstechnik bin, umso mehr bin ich in der Lage, gezielt da Horn zu entfernen, wo es tatsächlich entfernt werden muss. Es kann dieser eine, feine Raspelstrich oder der kleine, feine Schnitt mit dem Hufmesser sein, der die Situation verbessert.

Auch während der Bearbeitung bin ich immer ein achtsamer Beobachter. Die Reaktionen der Hufkapsel und des Pferdes wahrnehmend, erhalte ich wertvolles Feedback zu meiner Arbeit. Je weicher, entspannter ich arbeite, umso besser kann ich die Sollbruchstellen des Hufes fühlen. Für mich sind das Momente der Hingabe, im Augenblick sein. Es ist nicht mein Hirn, das konzentriert arbeitet, sondern mein ganzer Körper. Meine Körperhaltung ist darauf ausgerichtet, mit dem Pferd zu sein, damit es ausbalanciert stehen kann.


Wenn ich den Huf ablasse, achte ich wieder auf jede Reaktion des Pferdes. Wie es den bearbeiteten Huf belastet. Mein erster Blick fällt immer auf das Fesselgelenk. Von diesem bekomme ich die wichtigsten Informationen, ob ich „sauber“ gearbeitet habe. Gleichzeitig nehme ich die Rückmeldung des Pferdes wahr. Das kann ein abkauen sein, eine zitternde Unterlippe, gähnen, manchmal sogar ein erleichterter Stoßseufzer. Bei manchen Pferden kann man regelrecht sehen, wie sie sich nach Innen wenden und in ihrem Körper nachspüren.

Man muss sich im Klaren sein, dass das Pferd eine sehr feine sensorische Körperwahrnehmung hat. Sobald es den Huf aufsetzt, spürt es sofort die Belastungsveränderungen.
Die Propriozeptoren im Huf geben sofort eine Rückmeldung an das ZNS zur Kontrolle des Gleichgewichts und der Körperhaltung. Diese sensorischen Nerven sorgen dafür, dass das Pferd auf kleinste Veränderungen seiner Balance durch Verlängern oder Verkürzen der Muskulatur reagieren kann.
Meine Arbeit am Huf bestimmt also, wie das Pferd den Boden wahrnimmt und dieser Verantwortung bin ich mir sehr bewusst. Wenn ich den Huf nicht harmonisch ausbalanciere, dann wird das Pferd die ganze Zeit Energie darauf verwenden müssen, diese Imbalance durch Kompensierungen und Körperspannungen auszugleichen.


Mir ist es daher nicht wichtig, wie die Hufkapsel nach dem Absetzen aussieht. Für das Pferd ist es wichtig, ob der Huf ihm jetzt die Möglichkeit gibt, die Gliedmaße gleichmäßig zu unterstützen. Die Impulse, die der Huf der Gliedmaße gibt, bestimmen, wie das Pferd sich körperlich ausrichten kann. Und die Impulse, die von der Körperhaltung des Pferdes an den Huf gegeben werden, bestimmen, wie der Huf sich ausrichten muss.
Die Form des Hufes wird daher nicht von mir, dem Hufbearbeiter, bestimmt, sondern vom “Gesamtsystem“ Pferd. Es geht nicht darum, den Huf „hübsch“ zu trimmen, sondern ihm seine Funktionalität zurückzugeben /zu erhalten.

Wir Hufbearbeiter sind mit dafür verantwortlich, welche Lebensqualität das Pferd hat. Deshalb kann ich immer wieder nur betonen: Hufbearbeitung ist „Gefühl“.

©Manu Volk



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